Jeden Tag, egal ob Samstag, Sonntag oder Feiertag- seit mehr als zwei Jahren sendet die Kirchengemeinde Dellwig jeden Morgen eine kurze 3-5minütge Andacht per Video in WhatsAppGruppen mit über 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Eine bleibende Erfolgsgeschichte.
„Am Freitagmorgen muss bei mir zuhause immer alles ganz schnell gehen. Sobald die Kinder aus dem Haus sind, wird mein Wohnzimmer zum Aufnahmestudio umgebaut: Ich richte den Hintergrund ein und stecke das Handy in der Halterung fest. Die Lichtverhältnisse werden gecheckt und ich sorge dafür, dass auf meinem Handy genügend Speicherplatz frei ist. Dann nehme ich eine kurze Auslegung der Tageslosung in Form eines Selfie-Videos auf, das ich anschließend in die WhatsApp-Gruppe „Geistliche Impulse“ stelle.
Dieser Videodreh ist für mich und für viele andere, die sich in dieser Gruppe engagieren, zu einem festen Ritual geworden. Denn jeden Morgen um 8:30 Uhr wird eine kleine Andacht an alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der WhatsApp-Gruppen „Geistliche Impulse“ gesendet. Manche hören sie beim Frühstück, andere auf der Fahrt zur Arbeit. So erreicht das Wort Gottes seit nunmehr neun Monaten allmorgendlich viele Menschen in unserer Gemeinde und weit darüber hinaus.“ So schreibt Pfarrerin Jula Well im November 2020 begeistert im Gemeindebrief über eine digitale Verkündigungsform, die einen ganz unspektakulären Anfang genommen hat.
Die Gruppe erwächst einer Chat-Gruppe der Jugend, in der die Jugendlichen während des ersten Lockdowns im Frühling 2020 gemeinsam ihren Tag gestalten: mithilfe sportlicher und kreativer Angebote und Unterhaltungssequenzen und mit einem christlichen Impuls am Morgen. Auch Erwachsene interessieren sich für dieses geistliche Angebot. Daraus entsteht schließlich nach nur wenigen Tagen die Gruppe „Geistliche Impulse“, die es uns ermöglicht hat, das Wort Gottes gerade in der schwierigen Lockdown-Zeit erbaulich zu verkünden.
Über einen Einladungslink treten im März 2020 innerhalb weniger Tage über 80 Personen dieser Gruppe bei. Heute (nach über vier Jahren) schicken wir unsere täglichen Andachten in zwei Whats- App-Gruppen und eine Signal-Gruppe an fast 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer – darunter sowohl katholische und evangelische Christen als auch Personen, die zwar der Kirche fernstehen, dem Wort Gottes aber mit Interesse und Neugierde begegnen. Außerdem spielen wir für alle ohne Smartphone die Andachten als Audio auf einen virtuellen Anrufbeantworter, der zum Ortstarif Tag und Nacht abgehört werden kann.
Als mit Beginn des Sommers 2020 die Gottesdienste wieder gut besucht sind, stellt sich die Frage, ob diese WhatsApp-Gruppe nun ihren Sinn und Zweck erfüllt hat und wieder beendet werden könnte. Der Protest gegen diese Überlegung aber ist groß. Ein Ehepaar erklärt: „Die Andacht am Morgen ist zum festen Ritual geworden. Wir decken den Frühstückstisch, dann schalten wir das Handy ein und hören den geistlichen Impuls. Wir können uns gar nicht mehr vorstellen, ohne diesen Impuls in den Tag zu starten. Unser Blick verändert sich dadurch.“
Zugegeben, auch Radioandachten können so wirken. Besonders charmant aber erscheint den Adressantinnen und Adressanten, dass die kleinen Videos nicht auf Hochglanz poliert sind und daher besonders authentisch daherkommen: Im Hintergrund ist das private Wohnzimmer oder Arbeitszimmer der Rednerinnen und Redner zu sehen und man kann erkennen, dass auch die Pfarrerin morgens zerknittert aussieht. Inzwischen transportiert auch der Hintergrund nicht selten wichtige Inhalte. Denn ob zuhause, in der Kirche oder irgendwo draußen auf einem Parkplatz gedreht wird – die Abwechslung macht es auch interessant.
Anfangs ist es Pfarrer Jochen Müller allein, der jeden Morgen die Tageslosung auslegt. Mit der Zeit aber gelingt es, weitere Personen für dieses Projekt zu gewinnen und mittlerweile hat sich ein bunt zusammengesetztes Verkündigungsteam mit 20 Autorinnen und Autoren aus dem ganzen Kirchenkreis etabliert. Alle haben innerhalb kürzester Zeit gelernt, kleine Videos zu drehen, in denen die biblische Botschaft konkret auf das individuelle und gesellschaftliche Leben bezogen wird. Den einzelnen Leuten im Team sind dabei feste Tage zugeteilt. Nebenbei wird so der kollegiale Zusammenhalt im Kirchenkreis gestärkt und auch die Interprofessionalität genutzt, da nicht nur Pfarrerinnen oder Pfarrer sich als Autorinnen und Autoren betätigen, sondern z.B. auch Jugendreferentinnen und -referenten.
Jeden Samstag gibt es eine Überraschung: An diesem Tag sind die Gruppen-Teilnehmenden eingeladen, selbst zu predigen. Es wird mit Spannung erwartet: Wer spricht dieses Mal und kenne ich die Person? Beeindruckend, wie sich sogenannte „Laien“ innerhalb dieser Gruppe nach vorn wagen – wie sie ihr Gesicht zeigen, ihre Stimme hören lassen und ihr Verständnis biblischer Verse darlegen. Dieser Aspekt unterscheidet die WhatsApp-Gruppe in hohem Maße von Radioandachten. In der WhatsApp Gruppe hat man das gute Gefühl, zwar öffentlich, aber irgendwie doch unter sich zu sein, sodass sich auch Personen trauen, das Wort zu ergreifen, die sonst nicht die große Bühne betreten würden.
Indes wird deutlich, dass sich der Kreis der Adressat*innen beständig erweitert und die Grenzen unserer Kirchengemeinde längst weit hinter sich lässt. Die Teilnehmenden kommen nicht mehr nur aus Unna. Uns erreichen Feedbacks von Menschen, die wir persönlich nie getroffen haben und die weit entfernt leben. Dabei finden die Videos ihren Weg auch zu Menschen, die der WhatsApp- Gruppe gar nicht angehören. Ein Video, das gefällt, wird einfach weitergeleitet. Verkündigung, die sich ausbreitet – fast wie am Anfang der Apostelgeschichte.
Pfarrerin PD Dr. Jula Well arbeitet bei dir evangelischen Kirchengemeinde Unna, Pfarrer Jochen Müller arbeitet bei der evangelischen Kirchengemeinde Dellwig, Unna.
Dieser Beitrag erschien bereits 2023 in 3E, dem Ideenmagazin für die evangelische Kirche. Jede Ausgabe will Christinnen und Christen begeistern, die Chancen und Stärken von Gemeinden zu nutzen, um das Evangelium zu verkünden.
Das Ideenmagazin 3E gibt es in Kombination mit der Zeitschrift AUFATMEN in Print und Digital.
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