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Offene Türen: Zugang zur Kirche und zu Glaubensthemen erleichtern

Eine Kirchentür, die offensteht, erzählt von Gottes Einladung. Davon ist Pfarrer Matthias Ansorg überzeugt. Darum plädiert er für gelebte Gastfreundschaft in Gotteshäusern, um so mit Besucherinnen und Besuchern über den Glauben ins Gespräch zu kommen.

Ich liebe geöffnete Kirchen. Denn eine Kirche, deren Tür offensteht, erzählt von Gottes Einladung an uns Menschen. Und die ergeht an einen jeden Menschen, besonders aber an Menschen, die Erquickung suchen. Und solche Erquickung kann in einer geöffneten Kirche auf ganz unterschiedliche Weise erlebbar werden: Für den abgekämpften Fahrradfahrer mag es die Flasche Wasser sein, die eine aufmerksame Kirchengemeinde in ihrem Gotteshaus bereitgestellt hat. Für die vom Alltag gestresste Mutter der Moment der Ruhe, den sie sich auf dem Rückweg von der Kita gönnt, bevor die weiteren Aufgaben des Tages sie in Beschlag nehmen. Für jemanden in Trauer oder in großer Sorge um einen geliebten Menschen ist es möglicherweise das stille Gebet, die entzündete Kerze, die auf einem Zettel in Worte gefasste Angst, die etwas von der bedrückenden Schwere von der Brust nehmen.

Niedrigschwellig vom Glauben erzählen

Sie merken: Mein Herz schlägt nicht nur für die Offenen Kirchen, die den Urlaubstouristen und Städtereisenden die wunderbare Kunst vergangener Jahrhunderte und die Erhabenheit des Stein gewordenen Glaubenszeugnisses nahebringen. Das geschieht ja, Gott sei Dank, vielerorts und bedarf durchaus des weiteren Ausbaus. Doch brauchen wir auch hier weitere Formen. Eine davon sehen wir in unserer Landeskirche, der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), in einem im Entstehen begriffenen Ausbildungsangebot für sogenannte „Kirchenkümmerer“ oder „Kirchenöffner“. Interessierte sollen ermutigt und befähigt werden, aus ihrer persönlichen Erfahrung in ihrem Gotteshaus mit ihren Worten Besucherinnen und Besuchern eine Brücke zu bauen, sie willkommen zu heißen und ihnen niedrigschwellig den Zugang sowohl zum Kirchenraum wie zu Glaubensthemen zu erleichtern. Dabei geht es vor allem um Begegnung auf Augenhöhe mit Besuchenden, um taktvolle Kommunikation des eigenen Glaubensverständnisses und um konkret gelebte Gastfreundschaft der gastgebenden Kirchengemeinde in ihren zahlreichen möglichen Facetten. Mir persönlich und vielen anderen ist es jedoch ein Anliegen, auch darüber hinaus auf die vielen Kirchen in unserem Land aufmerksam zu machen, die nicht von Touristenströmen, Zentrumsnähe, Radoder Wanderwegen berührt werden. Für diese Kirchen legt sich ebenfalls eine Öffnung nahe, wenngleich dafür weder eine „Kirchenführerin“ noch ein „Kirchenkümmerer“ vor Ort sein müssen.

Die Chance der durchbeteteb Räume entdecken

Ich möchte die Herzen der Verantwortlichen gewinnen für die Öffnung ihrer Kirche, die touristisch unauffällig am Rande der Stadt gelegen ist, oder der kleinen Dorfkirche, deren auffälligstes Ausstattungsmerkmal die Orgel eines örtlichen Schreiners von vor 150 Jahren darstellt. Diese Kirchen sind nämlich genau das, was die äußerlich auffälligen „Leuchttürme“ der Kirchenlandschaft auch sind: Gotteshäuser. Oft sind es jahrhundertealte „durchbetete“ Räume, in denen der Glaube von Generationen atmet. In denen Menschen durch die Taufe in die Familie der Christen aufgenommen und die Verstorbenen der Treue Gottes für die Ewigkeit anbefohlen wurden und werden. In denen gesegnet, gedankt und gefleht, in denen sich gefreut, getrauert, geweint und gelacht wurde und wird. In denen Gottes Wort die Herzen der Menschen bis heute berührt.

Wir haben in der mitteldeutschen Kirche etwa 4.000 Kirchengebäude und Kapellen, immerhin 20 Prozent des Gesamtbestandes an Gotteshäusern in der EKD. 4.000 Gotteshäuser, von denen – eher optimistisch geschätzt – vielleicht 500 in einer gewissen Regelmäßigkeit auch außerhalb von Gottesdiensten und anderen Veranstaltungen zugänglich sind. 4.000 Kirchen, von denen die meisten nach jahrzehntelangem Verfall in den zurückliegenden 30 Jahren mit großer kirchlicher und gesamtgesellschaftlicher Kraftanstrengung liebevoll instandgesetzt wurden. In die das Herzblut, die Kreativität, die Zeit und das Geld vieler geflossen sind. Und es waren fast überall Christen und Nichtchristen gemeinsam, die diesen Wundern Gottes assistiert haben. Es waren nicht selten die vorwiegend von Nichtchristen getragenen Kirchbauvereine, die Kirchengemeinden ihre Unterstützung und die Übernahme konkreter Verantwortung angeboten haben. Weil die Menschen im Ort miteinander der Meinung waren: Unsere Kirche soll im Dorf bleiben! Und es kann und soll nicht sein, dass dieses so besondere, identitätsstiftende Gebäude weiter verfällt.

Offene Kirchen sind Oasen für den inneren Menschen

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass nicht selten dieses große gemeinsame Engagement in einer top sanierten Kirche ihren Gipfel gefunden hat, die nun verschlossen und verborgen vor aller Augen ein Schattendasein führt. Denn angesichts der ausgedünnten Kirchenmitgliedschaft in unserem Landstrich und den oft räumlich riesigen Pfarrbereichen mit häufig zehn und mehr Kirchengebäuden finden Gottesdienste manchmal nicht mehr als vier- bis achtmal im Jahr in einer solchen Kirche statt. Darum mein Plädoyer: Überlegt, ob und wie es gelingen kann, auch euer Gotteshaus möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen – unabhängig von Gottesdienst- und Veranstaltungszeiten. Und denkt dabei nicht zuerst an die weitgereisten Touristen, die sich vielleicht fragen würden, was sie mit so einer schlichten Kirche anfangen sollen. Denkt an die Menschen in eurem Dorf, in eurer Stadt. Denkt an diejenigen, die den geistlich geprägten, den spirituell aufgeladenen Ort für sich und ihre Seele entdecken könnten. Die dort Erquickung, welcher Art auch immer, suchen und finden würden.

Manche und mancher wird jetzt sagen: Wie sollen wir das auch noch stemmen? Ich weiß, dass ein solches Plädoyer eine Zumutung darstellt. Aber gar nicht zuerst an unsere Zeit oder Kraft, sondern an unser Vertrauen. Wir in der EKM ringen darum, Kirchenöffnung auch und gerade da zu ermöglichen und zu erreichen, wo eben nicht die Auffälligkeiten und Besonderheiten der Sakral-, Kunst- und Architekturgeschichte zu Hause sind – gegebenenfalls auch ohne ständige Aufsicht. Aber es ist, nachvollziehbarerweise, nicht leicht, das Vertrauen aufzubringen, dass eine solche ent gegenkommende Offenheit nicht missbraucht wird. Die Landeskirche unterstützt hier mit Informationen in einer kompakten Handreichung, die Gemeindekirchenräten gut überschaubares Know-how für solche Schritte anbietet. Der Gemeindedienst berät mithilfe seiner Webseite, Beratungs- und Workshopangeboten, wie auch eine nicht durch Personen begleitete geöffnete Kirche so gestaltet werden kann, dass Besucherinnen und Besucher inhaltlich angesprochen werden.

Mehr Mut und Vertrauen, Bitte!

Landeskirchliche Entscheidungsträger haben mit einem ausdrücklichen Solidaritätsangebot deutlich gemacht, dass im Schadensfall die Mutigen nicht auch noch diejenigen sind, auf die mit Fingern gezeigt wird. Und die EKM hat einen Versicherungs-Rahmenvertrag abgeschlossen, der etwaige Vandalismus- oder Diebstahlsschäden auch in unbeaufsichtigten Kirchen absichert. Die Gemeinden selbst müssen dafür ihrerseits nicht mehr als einen mittleren zweistelligen Jahresbeitrag aufbringen.

Immer mehr Kirchengemeinden in unserer Landeskirche haben in den letzten Jahren – hier und da, zunächst ein wenig zögernd, am Ende aber doch mutig – Entscheidungen in diese Richtung getroffen. Und ich habe bisher von keiner gehört, die diese Entscheidung zurückgenommen hätte. Aber es dürfen noch viel mehr werden. Deshalb kommt der weiteren Ermutigung von örtlichen Entscheidungsgremien große Bedeutung zu. Eine herausfordernde und zugleich schöne Aufgabe für alle, die sich für geöffnete Kirchen stark machen. Ich selbst gehöre dazu und liebe geöffnete Kirchen. Und mein Wunsch und meine Hoffnung sind, dass Menschen – Christen und Nichtchristen – auf der Suche nach Erquickung gelegentlich den Weg in ihr Gotteshaus nehmen, das ihnen dann selbstverständlich offensteht.

Matthias Ansorg ist Leiter des Gemeindedienstes der EKM und Fachreferent für missionarischen Gemeindeaufbau und Evangelisation.

 

Ideenmagazin 3E

Dieser Erfahrungsbericht erschien bereits 2022 in 3E, dem Ideenmagazin für die evangelische Kirche. Jede Ausgabe will Christinnen und Christen begeistern, die Chancen und Stärken von Gemeinden zu nutzen, um das Evangelium zu verkünden.

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