Menschen beim Joggen

LaufZeit

Gottesdienst mal sportlich! Pfarrer Cornelius Küttner erzählt, wie seine Kirche mit einem besonderen Format ganz neue Menschen erreicht:

Ein kalter Herbstmorgen. 6.45 Uhr. Die Sonne wird jeden Moment den Horizont mit frischem Tageslicht fluten. Ich warte vor der Kirche, wärme mich mit kleinen Turnbewegungen auf. „LaufZeit“ ist angesagt. Ein Gottesdienst im sportlichen Format. Ob dieser Versuch wohl angenommen wird, frage ich mich. Im Rucksack auf dem Rücken habe ich eine kleine Liturgie mit Psalmgebeten für gut zwei Dutzend Lauffreudige dabei. Von einer kleinen Gruppe, die sich offenbar zu diesem Anlass verabredet hat, werde ich aus den Gedanken gerissen. Freude steigt auf und zaubert mir einen ersten Sonnenaufgang ins Herz. Ich werde also nicht alleine laufen.

6.58 Uhr. Eine buntgemischte Gruppe in Sportbekleidung steht bereit. Ein Papa mit Sportkinderwagen. Er war schon eine Woche zuvor in Merklingen mit von der Partie. Diesmal eben mit Kind, das hatte er sich von einer Läuferin abgeschaut. Ebenso eine kleine Gruppe von Konfirmanden, die das auch mal ausprobieren wollen. Frauen und Männer mit Walkingstöcken. Was uns alle verbindet: gute Laune. Und die Spannung. Wie wird es sein? „Auf weiten Raum“ gestellt – so lautet dieses Mal das Thema.

Warm-up mit den Psalmen

7.00 Uhr. Glockengeläut erinnert uns daran, dass wir einen Gottesdienst beginnen. Nachdem die letzte Glocke ausgeläutet hat, sind es nur wenige einführende Worte, die uns noch am Loslaufen hindern. Ein freier trinitarischer Gruß, eine Einladung, aus den Mauern des Dorfes und den Mauern der Gedanken auszubrechen und die Weite der freien Albhochfläche zu suchen.

Und dann geht’s los. Lockerer Einlauf. Nach 10 Minuten haben wir das kleine Dorf hinter uns gelassen. An einer Wegkreuzung ist genügend Raum, im Kreis zu stehen. Aufwärmübungen und ein erstes Psalmgebet (aus Psalm 31). Ein Kurzimpuls lenkt den Blick auf das eigene Ich. Wo sind meine (gedanklichen) Mauern? Was engt mich ein?

Die nächste Laufetappe soll jede Läuferin, jeder Läufer etwas schneller als gewohnt laufen. Es gilt, gegen die inneren Blockaden anzulaufen. Freiheit zu suchen. Tatsächlich, alle probieren es im zügigen Tempo. Und als hätten wir sie bestellt: die Sonne, knapp überm Horizont, bricht ihre Strahlen in einer lockeren Schönwetterwolke. Später wird mir einer verraten, dass dies für ihn der dichteste Gottesmoment seit Langem war.

Ungefähr 7 Minuten später trifft man sich am nächsten Sammelpunkt. Merklich aus der Puste geraten, lässt jeder „ein bisschen Dampf ab“. Für mich eine körperlich dichte Erfahrung, was es heißt, „loszulassen“. Ich teile diesen Gedanken und diese Erfahrung mit den übrigen Teilnehmenden. Inzwischen hat die Sonne den Himmel ganz erobert. Wir sprechen gemeinsam Psalm 36 und machen uns dann zur weitesten Wegstrecke auf: dem Lobpreis. Die Gruppe fällt zwar lauftechnisch auseinander und ich habe Mühe, immer wieder zwischen den einzelnen Tempogruppen hin- und herzuwechseln, aber überall stoße ich auf fröhlich angestrengte Joggingbegeisterte.

Extraportion Anfeuerung für die Konfis

Na gut – zwischendurch muss ich auch mal ermutigende Worte an meine mitlaufenden Konfis richten. Aber sie bleiben dran. Was für eine tolle Erfahrung. Kurz nach 8 Uhr erreichen wir das Dorf wieder. Herrlich. Hat man vorher das Weite gesucht, freut man sich nun, die schützenden Häusermauern wiederzuhaben. Sie lassen einen wissen: Gleich ist es geschafft. An der Kirche sammeln wir uns noch einmal. Warmer Tee und Reiswaffeln – gespickt mit einer winzigen Erinnerung daran, dass Jesus seinen Nachfolgern ein „Stärkungsmahl“ hinterlassen hat, um sich auf der Wegstrecke durchs Leben zu erfrischen – und das obligatorische „Vaterunser“ beschließen unsere zweite Laufzeit.

Pfarrer Cornelius Küttner

Cornelius Küttner ist Pfarrer in Merklingen und Machtolsheim und verheiratet mit Tabea. Gemeinsam haben sie zwei Kinder. Sie leben und lieben den „Aufbruch der Kirche zu den Menschen hin“.

Weitere Infos: www.kirche-merklingen.de

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