Alles begann vor elf Jahren im Hauskreis. Wir sprachen darüber, mit wem Jesus heute seine Zeit verbringen würde, wenn er bei uns in Halle wäre. Uns war ziemlich schnell klar, dass er sehr wahrscheinlich bei den Menschen wäre, deren Leben an irgendeiner Stelle zerbrochen ist und die schon morgens mit einer Tüte Wein am alten Busbahnhof sitzen. Daher fragten wir uns: „Warum sind wir nicht da?“
Mit dem Grill vorm Busbahnhof
Zwei Wochen später fuhren wir mit einem Grill, Würstchen, Getränken und viel Herzklopfen zum alten Busbahnhof. Wir stellten alles auf und begannen zu grillen. Dann luden wir die Frauen und Männer ein, ein Würstchen mit uns zu essen. Zaghaft nahmen einige von ihnen die Einladung an. Wir aßen zusammen und unterhielten uns. Es waren wertvolle und persönliche Gespräche. Schon bei dieser ersten Begegnung erfuhren wir erstaunlich viel über die Lebensgeschichten der Menschen. Wir wiederholten diese Aktion ein-, zweimal; Vertrautheit entstand.
Es war Zeit, einen weiteren Schritt zu tun. Mit Bierzeltgarnituren, gespendeten Broten und Brötchen, Kaffee, Tee und einem leckeren Mittagessen gingen wir bald einmal wöchentlich mittags zum alten Busbahnhof. Erst kamen sieben Gäste, bald waren es 13, dann 25.
Mehr als ein Essen
Etwa ein Jahr lang machten wir das so. Im kalten Winter 2010/2011 zogen wir um. Jetzt treffen wir uns im warmen Gemeindehaus. Inzwischen kommen jede Woche etwa 80 bis 90 Personen, darunter auch viele Geflüchtete und einsame Menschen. Im Laufe der Zeit sind immer neue Mitarbeitende hinzugekommen.
Jedes Essen beginnt mit einem Gebet. Dann setzen wir uns zu den Gästen und unterhalten uns mit ihnen. Einen Großteil der Mahlzeiten erhalten wir als Spende aus einer Schulkantine. Der Mittagstisch ist für viele Gäste zum Höhepunkt der Woche geworden: Nicht nur wegen der warmen Mahlzeit. Es geht vor allem um die Begegnungen und Gespräche. Es geht darum, wahrgenommen, herzlich mit Namen und Handschlag begrüßt zu werden. Es geht darum, dass jemand nachfragt und zuhört.
Nach dem Essen öffnen wir unseren Stand mit gespendeten Lebensmitteln, Kleidungsstücken oder Haushaltsgegenständen. „Einkaufen“ nennen wir das, obwohl niemand bezahlen muss. Ein Tisch, der beginnen darf, wird ausgelost. Einmal im Jahr gibt es außerdem einen Ausflug oder ein Sommerfest. Dieser Termin ist ein Highlight für all unsere Gäste! Spenden machen diesen besonderen Tag möglich.
Begleitung fürs Leben
Unser Gemeindepädagoge Sebastian Plath ist die Schlüsselfigur des Projektes. Sein Herz schlägt für unsere Gäste. Er kennt jeden mit Namen. Er kennt die Lebensgeschichten und Nöte. Er begleitet viele unserer Gäste über den Mittagstisch hinaus auch im täglichen Leben, sei es bei Behördengängen, bei Kranken- oder Gefängnisbesuchen oder bei amtlichen Telefonaten. Er kümmert sich um Wohnungen, Möbel, Kühlschränke und Waschmaschinen.
Der Mittagstisch hat unsere Gemeinde verändert. Sie ist bunter und vielfältiger geworden. Einige Gäste vom Mittagstisch tauchen im Gottesdienst auf. Manche haben an einem Glaubenskurs teilgenommen. Nicht wenige helfen an irgendeiner Stelle mit. Bei einigen unserer Gäste stellen wir Lebensveränderungen fest. Einige haben wieder Hoffnung für ihr Leben gewonnen und wieder im Leben Fuß gefasst. Ein paar sind vom Alkohol losgekommen. Wir spüren deutlich, dass Gott seinen Segen auf dieses Projekt legt.
Wenn wir zurückschauen, staunen wir. Alles begann mit einem Hauskreisabend, einem Grill und ein paar Würstchen. Es lohnt sich, hin und wieder einen kleinen, aber mutigen Schritt zu wagen!
3E ist das Ermutigungs- und Ideenmagazin für Mitarbeitende in der Evangelischen Kirche und steht für echt – evangelisch – engagiert.
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