Engel bei den Hirten

So kommt die Kirche zu den Leuten

Die Kirchengemeinde Hausen ob Verena organisiert ein Weihnachtsstück der anderen Art: Die Zuschauer begleiten Maria und Josef auf ihrem Weg durch das ganze Dorf. Pfarrer Dr. Matthias Figel erzählt von der besonderen Aktion.

„Lasst uns etwas ganz Neues wagen!“ Die Idee eines Mitglieds des Kirchengemeinderats begeisterte uns – eine Dorfweihnacht war seine Vision: „Lasst uns die Weihnachtsgeschichte mitten im Dorf spielen, mit Erwachsenen und in Originalkostümen. Maria und Josef vor der Zimmermannswerkstatt. Der beschwerliche Weg nach Bethlehem quer durch die Ortschaft. Der Eintrag in die Steuerliste vor dem Rathaus. Die vergebliche Herbergssuche an der einzigen Gaststätte des Dorfes. Die Scheune gegenüber als letzter Rückzugsort. Die Hirten auf dem Feld, der Engel, die Botschaft.“

Es braucht ein ganzes Dorf

Zuschauer Weihnachtsgeschichte

Die Idee zündete: Ein Vorbereitungsteam konstituierte sich, schrieb die Texte (möglichst nah an Lukas 2), entwarf das Drehbuch, plante die Technik, diskutierte die Besetzung. Schlüsselrollen wurden mit Personen besetzt, die bereits Erfahrung bei gottesdienstlichen Lesungen gesammelt hatten: Zum Beispiel die Rolle eines alten Hirten und verschiedener alttestamentlicher Propheten, welche die Wege mit ihren Messias-Ankündigungen säumten. Schnell wurde klar: Dieses Projekt wollen und können wir als Kirchengemeinde nicht allein stemmen. Wir brauchen die Ortsgruppe des Roten Kreuzes, die freiwillige Feuerwehr, die Musikkameradschaft. Wir brauchen die Mitarbeitenden des Bauhofs, einen Projektchor und die Kinder aus der Grundschule. Wir brauchen den Bürgermeister am Rathaus, die Wirtin beim Gasthaus, den örtlichen Landwirt vor seinem Stall. Wer könnte Maria und Josef spielen? Ein Ehepaar, das im letzten Jahr ein Kind geschenkt bekam. Und wer spielt die Hirten? Wer die römischen Soldaten?

„Dass die Kirche zu uns kommt!“

Soldaten WeihnachtsgeschichteDas Projekt begeisterte: Knapp hundert Personen aus Hausen ob Verena übernahmen Aufgaben und Rollen, waren bei Auf- und Abbau beteiligt, andere sorgten für die anschließende Bewirtung mit Glühwein und Kesselwurst. Die übrigen Dorfbewohner und Bewohnerinnen freuten sich auf die Dorfweihnacht und luden in ihrem Umfeld dazu ein. Plötzlich beschäftigten sich Mitbürgerinnen und Nachbarn mit dem Weihnachtsevangelium, hatten ihre Rolle neben sich auf der Werkbank liegen.

Am meisten faszinierten uns die Motorradfreunde. Sie treffen sich jeden Sonntagabend in ihrem Clubraum. Darum zog ein Mitglied des Vorbereitungsteams los, besuchte die Motorradfreunde, stellte unsere Idee vor und gewann einige von ihnen als Hirten und Legionäre. Er berichtete nicht nur von großem Wohlwollen und Interesse, sondern auch von manchem Erstaunen: „Dass die Kirche zu uns kommt!“

Genau das wollten wir – raus auf die Straße, mitten in den Ort, rüber ins Clubheim. Keine Angst vor alkoholschwangerem Atem, der einem vor der Dorfweihnacht entgegenschlägt. So ist es nun einmal unter Hirten und Soldaten – das sind raue Gesellen! Die Motorradfreunde haben ihre Rollen absolut authentisch gespielt, waren mit Feuereifer dabei. Dass die Dorfweihnacht so gar nichts von der Harmlosigkeit eines Krippenspiels besaß, war auch ein Verdienst der römischen Legionäre, dargestellt von den Motorradfreunden.

Menschen werden zusammengeführt

Maria und Josef im StallZwischenzeitlich haben wir die Hausener Dorfweihnacht mehrfach aufgeführt – am vierten Advent 2010, 2012, 2016 und 2019 vor jeweils 400 bis 800 Zuschauern. Wir haben bewusst entschieden, nicht jedes Jahr an den Start zu gehen, da hierfür der Aufwand zu groß wäre und schnell eine Gewöhnung einträte. Was uns bei jeder Aufführung von Neuem berührte, war die Realitätsnähe mit erwachsenen Schauspielern und Schauspielerinnen und die faszinierende Atmosphäre im dämmrigen, verschneiten (und in manchem Jahr auch verregneten) Hausen ob Verena.

Neben ihrer milieuübergreifenden und volksmissionarischen Ausrichtung wirkt die Dorfweihnacht auch noch äußerst integrativ innerhalb der Kommune: Ein Projekt, mit dem sich viele aus dem Ort identifizieren, das ganz unterschiedliche Menschen und Vereine zusammenführt und das zwischenzeitlich zum Markenzeichen für Hausen ob Verena geworden ist. Häufig werden wir gefragt: Wann organisiert ihr die nächste Dorfweihnacht?

Bringt die gute Nachricht auf die Straße!

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3E ist das Ermutigungs- und Ideenmagazin für Mitarbeitende in der Evangelischen Kirche und steht für echt – evangelisch – engagiert.

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